Urteile Winterdienst

Was ist bei der Räumpflicht verhältnismäßig? Egal, ob sie vom Mieter oder Eigentümer zu erfüllen ist: Die Verkehrssicherungspflicht und mit ihr auch die Räum- und Streupflicht unterliegt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Naumburg besteht die Räumpflicht beispielsweise nicht während anhaltenden Schneefalls und beginnt auch nicht unmittelbar danach. Die zum Winterdienst verpflichtete Partei dürfe demnach eine halbe Stunde lang abwarten, ob noch weiterer Schnee fallen wird. (AZ: 5 U 86/06)

Zu welcher Zeit muss gestreut bzw. geräumt werden?

Der Beginn und das Ende der Streupflicht der straßenreinigungspflichtigen Gemeinden richtet sich nach dem jeweiligen Verkehrsbedürfnis. Beginn und Ende der Verpflichtung für die öffentlichen Verkehrsflächen sind immer in den Satzungen der Gemeinden und Städte festgelegt. An Werktagen ab 6:30 bis spätestens 7:00 Uhr. (OLG Hamm: 7:00 Uhr / LG Köln 6:30 in ländlichen Gegenden 7:00/ OLG Düsseldorf 7:00 Uhr) Immer dann, wenn mit dem Einsetzen des allgemeinen Verkehrs gerechnet werden kann. Nach Ansicht des OLG Celle 9. Zivilsenat, Urteil vom 22. Dezember 2003, Az: 9 U 192/03 grundsätzlich nicht vor 07:00h morgens. Das Gericht lehnte die Haftung für einen um 4:30 Uhr gestürzten Zeitungsausträger ab. An Sonn- und Feiertagen zumindest nicht vor 9:00 Uhr (OLG Oldenburg a.a.O.) Kein Gericht legt sich hinsichtlich des Endzeitpunktes der Streupflicht fest! Insoweit ist mithin nach dem jeweiligen Verkehrsbedürfnis zu entscheiden. Ein Anhaltspunkt kann die Ruhezeit sein, deren Beginn die Gerichte und Gesetzgeber auf 22:00 Uhr festgelegt haben.

Muss auch nachts gestreut und geräumt werden?

Nein, in der Nacht muss nicht gestreut werden Wie wird ordnungsgemäß gestreut bzw. geräumt? Der Weg muss nicht vollständig geräumt und gestreut sein. Es existiert hier keine einheitliche Rechtsprechung. Mal genügen 0,50 Meter, mal sollten es 1,20 Meter sein. Es hängt vom Verkehrsaufkommen ab. Dazu das OLG Frankfurt, Urteil vom 22. August 2001, Az: 23 U 195/00: Ein nur wenige Male am Tag und ausschließlich von Fußgängern benutzter Zugangsweg zu einer Wohnung auf einem Privatgrundstück braucht bei Schnee- und Eisglätte nur in einer Breite von etwa einem halben Meter abgestreut zu werden, die für die Begehung durch eine Person als ausreichend anzusehen ist. Ordnungsgemäß gestreut wird maximal 1 Stunde nachdem es geschneit oder sich Glatteis gebildet hat. Der BGH II ZR 123/86 fordert eine Wiederholung, wenn das Streugut seine Wirkung verloren hat.

Muss auch während eines starken Schneefalls geräumt werden?

Nein, während eines andauernden starken Schneefalls muss nicht fortlaufend gestreut und gekehrt werden (BGH VI ZR 49/83). BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 Az III ZR 8/03: Der Umfang der Räum- und Streupflicht ist nur an die Belange von Fußgängern auszurichten.

 

 

OLG Jena, Urteil vom 12.11.2013, Az.: 4 U 537/12

Auf dem Gehweg eines städtischen Grundstücks stürzte ein Einwohner an einem Sonntagmorgen gegen 9 Uhr bei winterlichen Verhältnissen. Dabei zog er sich eine Rippenfraktur zu und beschädigte seine Armbanduhr. Gemäß der städtischen Satzung sollte an einem Sonntag der Winterdienst bis 9.00 Uhr erfolgen. Ein Angestellter der Stadt hatte den Weg an diesem Tag – es herrschte dauerhaft Schneefall – bis 8.30 Uhr teilweise von Schnee beräumt, die Oberfläche mit Split abgestumpft und dies protokolliert. Der Einwohner verlangte von der Stadt klageweise Schmerzensgeld und Schadensersatz.

Die Klage war erfolglos. Dem Kläger stünden keine Ansprüche gegen die Stadt zu. Es spreche zwar ein Anscheinsbeweis für eine Verletzung der Räum- und Streupflicht der Stadt, da ein Sturz auf einem ungeräumten Weg ein typischer Geschehensablauf sei. Die Stadt habe aber durch das Räumprotokoll und die Aussage ihres Angestellten den Anschein im vereinfachten Gegenbeweis erschüttert. Das reiche aus und sei vom Kläger nicht widerlegt worden. Fortwährende Räumarbeiten bei andauerndem Schneefall seien für Winterdienstpflichtige unzumutbar und könnten auch von der Stadt nicht verlangt werden.